zu gehen ist als Lehrer nicht nur ziemlich ungewöhnlich, sondern aus deutschen Beamtengefilden kommend, kaum denkbar. Selten bis gar nicht liegen Fortbildungen, wenn sie denn als Dienstreise gelten, in der Woche, und es ist auch nicht selbstverständlich dafür vom Schulleiter freigestellt zu werden.
Mein liebstes Highlight in D waren die jährliche Einladungen vom KLETT-Verlag, die sogar Hotelaufenthalt, Komplettverpflegung im Hotel, sowie besondere workshops, sprich Fortbildungen, beinhalteten. Diese Veranstaltung hat jedoch immer am Wochenende stattgefunden. Oder ich bin mit meiner schulischen Beachvolleyballmannschaft zum Landesfinale nach Wilhelmshaven gefahren – galt wohl als Dienstreise, denke ich .
Hier, von Beijing aus, liegen die Ziele der Dienstreise im Großraum Asien, und man fliegt dorthin: Stephan und ich sind nun aus ganz unterschiedlichen Gründen unterwegs gewesen, und zwar nach TOKYO und SINGAPUR.
Stephan hatte legere Sportklamotten im Gepäck, trafen sich doch die Sportkollegen der Region zur Planung der Ost-Asienspiele, die im November in Tokyo stattfinden werden. Die Arbeitsatmosphäre war entspannt, dennoch zielgerichtet, und Stephan und unser Kollege, Benny, waren mit dem zügigen Arbeitstempo sehr einverstanden – so verblieb mehr Zeit zum Entdecken der Stadt übrig. Highlights, die neben der Erstellung z.T. neuer Reglements für die Spiele aus der Reise resultierten, waren, das Erleben der Menschenmassen, die die aus Beijing jedenfalls stellenweise noch übertreffen:
Eine große Kreuzung im Stadtteil Shibuya ist bereits bekannt aus dem Film „Lost in Translation“. Hier können Fußgänger nicht nur über die uns bekannten „Längsseiten“ der zebragestreiften Fußgängerüberwege die Straße überqueren, sondern sie dürfen auch „diagonal“ gehen. Da unglaubliche Massen von allen Seiten auf diese Kreuzung strömen, kommt dies einem „flashmob“ gleich. Gott sei Dank halten sich alle Verkehrsteilnehmer an die Ampelschaltung – in Beijing wird im Gegensatz dazu nur fleißig von den Regeln abgewichen – so, dass wenigstens in Tokyo ein reibungsloses, aber verrücktes Treiben zu beobachten ist.
Vielleicht gibt es hier gleich einen kleinen Film dazu:
(schade, da muss ich mal den Systemadmin fragen, wie das hier geht)
Singapur wirkt dagegen fast kleinstädtisch. Natürlich ist auch diese Stadt eng bebaut, doch sie wirkt klug geplant, liegen doch immer wieder niedrig gebaute Reihenhäuser oder alte, erhaltene Markthallen nebeneinander, und nicht jedes Viertel ist mit Hochhäusern gespickt. Diese stehen fast ausschließlich im Central Business District, wo Banken oder Bürogebäude vorherrschen. Andere Stadtteile haben nur höhere Wohnhochhäuser, deren Etagenanzahl jedoch auch noch sehr übersichtlich gestaltet ist; sie wirken kaum so erschlagend wie das in Beijing der Fall ist. Und egal, wo man sich befindet – es ist eine grüne Stadt, mit mehr als nur einer grünen Lunge. Überall weisen Baumalleen den Weg oder kleine Parks liegen verstreut, immer erreichbar…….ganz ohne Zäune, Mauern oder sonstigen Hindernissen (die wir eben oft in Beijing finden).
Grund für meine Reise war die „Regionaltagung Fernost“, zu welcher eine ganze Delegation unserer Schule anreiste – Schulleiterin, Oberstufenkoordinator, Verwaltungsleiter, ein Vorstandsvertreter und ich, als Regionale Fortbildungskoordinatorin. Alle 20 Schulen beider Regionen (20=Südostasien und 21=Ostasien) nahmen mit ähnlich viel Entsandten der Schulen teil, zusätzliche kamen Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK), des Bundsverwaltungsamtes (BVA) und des Auswärtigen Amtes (AA) aus Deutschland um vor allem über die Internationalisierung der Auslandsschulen zu sprechen. Unsere Schule ist von dieser Entwicklung fast gar nicht betroffen, aber andere Schulen müssen, um dem Wettbewerb mit internationalen Schulen an ihrem Standort entgegentreten zu können, englisch- oder französischsprachige Angebote oder ganze Schulzweige aufbauen oder auch weitere Abschlüsse, wie z.B. das Internationale Baccaleaureat (IB) anbieten. Somit hatte die Tagung eher Konferenzcharakter, obwohl auch unterschiedliche Arbeitsgruppe tagten – außerdem war das erste Regionalabitur für die beiden Regionen, welches nächstes Jahr das erste Mal durchgeführt wird, von großer Bedeutung.
Meine Kollegin aus Singapur und ich haben in diesem ganzen Rahmen alle Schulleiter etwa 1h lang für uns gehabt, um ihnen unser neues Fortbildungskonzept, welches beide Regionen betrifft, vorzustellen. Später konnten wir uns auch abseilen und haben einen ganzen Arbeitstag für uns genutzt, da wir noch Weiteres vorbereiten und erarbeiten wollten – schließlich sitzen wir ganz selten zusammen. Und eine Fortbildung werden wir im April selbst leiten; die wollten wir noch besser vorbereiten…..da wird es dann nach Shanghai gehen!
Es gab also entsprechend viel Programm in Singapur, welches täglich nur durch eine kurze Umziehpause im Hotel unterbrochen wurde. Denn auch abends ging es dann in festlicherem Ambiente weiter mit zumeist dienstlichen Gesprächen: entweder auf dem privaten Anwesen der Botschafterin Singapurs oder auch auf einem Hügel, wo sich Sir Thomas Stamford Raffles ein Häuschen hat bauen lassen, damit er den besten Überblick über „seine“ Stadt haben konnte, als er sie 1819 für die Briten eingenommen hat. Er hat den ersten Plan für die Modernisierung der Stadt geschaffen…….und dort haben wir eben einen abendlichen Empfang gehabt.
Noch nie vorher habe ich meinen Koffer mit so viel Bedacht gepackt, denn tagsüber und abendlich sollte man entsprechend angezogen sein.
Insgesamt war die Tagung vor allem deshalb ein tolles Erlebnis, weil Heike (aus Singapur) und ich alle Themen als Zuschauer verfolgen konnten und viel Einblick in die Schulpolitik erhielten, so wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Wichtigstes Detail war aus den Gesprächen zu entnehmen, dass schulpolitische Prozesse wahnsinnig lang dauern und Entscheidungsträger (auf höherer dienstlicher Ebene) häufig selbst in ihren Befugnissen beschränkt oder gefangen sind, sodass die weitere Umsetzung auf schulischer Ebene an die Vorgaben gebunden ist – es gibt einfach wenig Spielraum für Abweichungen oder gar „bessere“ Vorschläge. Wenn man das als Lehrer weiß, ist es einfacher sich nicht aufzuregen – wir müssen viele Vorgaben umsetzen, auch wenn es eben z.B. keine Entlastung dafür gibt oder man es gern anders hätte. Die Entscheidungen berücksichtigen oft Bedingungen, die man selbst als Lehrer nicht kennen kann – auch das war eine wichtige Erkenntnis. Wir sind eben oft keine Entscheider, sondern Umsetzer…….
Am dritten Nachmittag gab es dann endlich ein bisschen Entlastung und als Freizeitangebot eine Tour durch die Stadt, welche, gemessen am Status einer Großstadt auf kleinstem Raum, wirklich sehr attraktiv ist. Ein bisschen sehnsüchtig habe ich den Joggern und Radfahrern hinterher geschaut, welche in der Stadt Raum und gute Luft haben……das ist eben immer wieder ein Umstand, den wir uns in Beijing wünschten, den wir aber nicht herbeizaubern können.
Fazit ist, dass wir unheimlich viel herumkommen – ich durch meine neue Aufgabe, Stephan dieses Mal durch seine Funktion als Sportobmann, und dass wir viele Einblicke erhalten, die uns reflektieren lassen. Anstrengend sind solche (Reise-)Zeiten, aber eben auch gewinnbringend, interessant und auch immer sehr erlebnisreich 🙂