Auf Klassenfahrt…(jetzt mit Fotos!)

In Deutschland auf Klassenfahrt zu gehen bedeutet zumeist,
dass ich als Lehrerin mich nach einem geeigneten Ziel für die entsprechende Klassenstufe
umhöre, recherchiere, Kollegen frage, ob und welche Erfahrungen sie gemacht
haben…und…und..und. Auf der Reise selbst muss ich ständig die Kinder zählen,
den Busfahrern hinterher telefonieren, mich nach Fährverbindungen erkundigen,
schauen, ob die Anzahl der Fahrscheine stimmt und natürlich mindestens mit zwei
Augen vorn und zweien am Hinterkopf nach meinen Schülern Ausschau halten.
Jedenfalls liegt die meiste Verantwortung bei mir, und kaum bin ich daheim
(falls nicht schon unterwegs) meldet sich ein aufgeregter Elternteil und ich
muss Rede und Antwort stehen, weshalb es eine Erkältung gegeben hat – naja, ein
bisschen überzogen vielleicht, aber wer meine und Helgas Geschichte vom letzten
Jahr noch kennt, weiß, dass es auch noch viel, viel schlimmer kommen kann. Auf
so manchen Kosten bleibt man dann letztendlich auch noch sitzen…..

Hier bin ich nun von Sonntag auf Donnerstag mit meiner 10.
und der Parallelklasse unterwegs gewesen + Rainer als Klassenlehrer und Stephan (mein Stephan) und Silvia G. als Begleitpersonen. Wir haben uns an die Vorschläge, die vor
einigen Jahren für die Jahrgangsstufen ausgewählt wurden, gehalten, haben
jedoch die Möglichkeit eines Vaters genutzt, der der Schule angeboten hat über
TUI zu buchen. Entweder sollte es nach Shaolin zu den bekannten Mönchsklöstern
gehen (inklusive KungFu-Kurs, was mich als Sportler sowieso reizt) oder zum
heiligen Berg Tai Shan, Konfuzius´Wirkungsort Qufu und anschließend noch zur
Küstenstadt und ehemaligen deutschen Kolonie Qingdao (wo das berühmte, nach
deutschem Braurezept gebrautem Tsingtao-Bier seinen Ursprung hat!). Die Schüler
wählten fast einstimmig den letzten Vorschlag (wahrscheinlich wegen der geplanten Brauereibesichtigung+Verkostung!!!) , und wir Lehrer bekamen dann eine
ausgearbeitete Tour von der TUI vorgeschlagen. Das Geld wurde in der Schule
abgeholt und aufwändig nachgezählt (erst per Zählmaschine, dann per Hand!). Wie
sich herausstellte sollten wir über die gesamte Reise hinweg eine Reiseführerin
bekommen und zusätzlich vor Ort auch noch eine ortskundige Begleitperson.
Herrlich! Ich hätte sowieso kaum etwas zur Geschichte des Taoismus oder
Konfuzius´Lebenswerk ohne größeren Nachschlageaufwand beitragen können und so war
die Studienfahrt (die erste für die Schüler) gerettet!

Unsere Reisbegleitung kümmerte sich um die Zugtickets, die
immer erst kurz vor Abfahrt irgendwo auf dem z.B. riesigen Bahnhof in Beijing
abgeholt werden mussten. Das hätten wir Langnasen allein nie bewältigt. Auch
die Einsteigeprozedur will gelernt sein: Zunächst muss in einer großen
Wartehalle bis etwa 15min vor Zugabfahrt gewartet werden. In Beijing kann man
leicht die Zeit mit Kaffeetrinken oder Shopping überbrücken, aber in den
Provinzbahnhöfen steht man sich die Beine in den Bauch oder muss in einem
stickigen und völlig überfülltem Raum sitzen. Dieser neue, ausschließlich für
Megaexpresszüge gebaute Bahnhof in Beijing ist ungefähr so groß wie der Flughafen in
Hannover, nur noch moderner!!!!! Der Schnellzug fährt dann mit über 300 Sachen
durch die Landschaft, sodass wir in Nullkommanix im etwa 500km entfernten
Tai´an (beim Berg Tai Shan)ankamen.

Die Bergbesteigung war toll, zumal das Wetter wirklich
großartig war. Leider wurden wir nach den ersten Tempeln am Tag zuvor weiterhin
mit dem Gigantismus der Chinesen konfrontiert. Und dieser Charakterzug liegt
uns weniger. Der wirklich heiligste aller Berge wurde vom Fuße an zubetoniert,
ein Shuttleservice mit Bussen operiert vom Fuße an zur Mittelstation, und dort kann
man dann entscheiden, ob der Aufstieg zu Fuß über die verbleibenden etwa 3000
Stufen erfolgen soll oder per Seilbahn absolviert wird. Sicher kann man auch
von ganz unten den Aufstieg über die 6666 Stufen wählen, aber nur mit
ausreichender Fitness – also nichts für die meisten unserer Schüler. Immerhin
kamen – bis auf zwei, drei Fußlahme –
alle oben an!

Was uns allen zwar bewusst war, aber erst inmitten der Chinesen wirklich auffiel, war die Tatsache, dass wir hier – in der Provinz – als Langnasen sehr auffielen. Viele Schüler/innen, und uns Lehrern erging es nicht anders, wurden vielfach aufgefordert für Fotos zur Verfügung zu stehen. Unglaublich waren dann folgende Szenen:

Wir hatten am Ende des Hauptaufstiegs eine Treppe als Treffpunkt ausgewählt, und nach 1,5 h saßen dann fast alle Schüler beisammen – folglich waren wir ein begehrtes Fotoobjekt. Einige Chinesen stellten sich wirklich schamlos vor uns auf und beäugten uns neugierig, oder sie setzten sich mitten zwischen uns und ließen sich für das eigene Album fotografieren. Das können wir aber auch!!!

Der Besuch des kleinen Städtchens Qufu würde sich sogar über
2 Tage lohnen, denn die Ruhestätte von Konfuzius liegt in einem wirklich hübsch
gelegenem (Friedhofs-)Park, für den wir nicht genügend Zeit hatten.

Wächter vor dem Grab des Konfuzius

Abschließend hatten wir noch 1,5 Tage in Qingdao – und wieder haben wir uns darüber geärgert, dass die Deutschen all ihre Kolonien zurückgegeben haben. Die durchaus große Küstenstadt (immerhin 9,7 Mio Einwohner) liegt wirklich idyllisch rund um eine Landzunge, welche den östlichsten Zipfel des nördlichen Teils Chinas darstellt. Korea und Japan sind über nicht allzu lange Fährfahrten erreichbar und der Handel des Überseehafens
blüht.

Der ältere Teil der Stadt wirkt völlig europäisch und hatuns wohl deshalb so ausnehmend gut gefallen. Häuser und Kirchen (!!!) sind fast wie in einer Altstadt angeordnet, keine Hochhäuser stören den Blick und die Seeluft erinnert an einen Kurort! Hinzu kommt ein Stadtteil mit ausschließlich ausgewählter, europäischer oder kommunistisch russischer Architektur. Hier stehen riesige Anwesen, die mich persönlich an die Bonzenbauten Titos
(ehemaliges Jugoslawien) erinnert haben.

Qingdao (gesprochen Tschingdao)

Unsere Schüler hatten weniger einen Blick dafür, sondern
kraxelten lieber am Strand herum – das kann ich ihnen kaum verdenken.Trotzdem ärgerte es mich natürlich maßlos, wenn sie nicht bei den Erläuterungen der Guides zuhörten. Schließlich bedeutet Studienfahrt auch hier: Studienfahrt. Die Nachbereitung wird noch folgen 🙂

Highlight für uns Kollegen war der Kaffe und ein anständiges Stück Schwarzwälder-kirschtorte plus leckerem Kaffee Latte im Ratskeller des ehemaligen Anwesens des deutschen Gouverneurs, welcher nach dem viel zu teurem Ausbau seinen Schlösschens vom Kaiser gefeuert wurde.

Rainer und ich mit Torte 🙂

....und der Kaffee schmeckt uns dreien!

Insgesamt kann ich festhalten, dass ich mir kaum habe träumen lassen, wie sehr ich mich über ein McCafé freuen würde, nachdem wir fast eine Woche nur chinesisches Essen genießen konnten. Es war wirklich recht gut, gemessen am  Gesamtreisepreis und daran, dass wir wirklich in der Provinz unterwegs waren. Aber es geht doch nichts über einen guten Kaffee und ein leckeres Frühstück mit Brötchen – welches wir uns Freitag nach der Rückkehr nach Beijing beim Deutschen Bäcker gegönnt haben 🙂

Auch wenn es sich abgehoben anhört, habe ich mich wirklich
darüber gefreut, dass wir die Reisebegleitung bei uns hatten:

Ich hatte dadurch vor allem Zeit und Muse die Schüler besser
kennenzulernen. Die ticken wirklich anders als die Kinder in D und dessen bin
ich mir in dieser Woche bewusst geworden. Sie sind zum Einen etwas weniger
selbständig, was mich natürlich auch nervt. Aber sie brauchen auch mehr
(persönliche) Zuwendung – mehr Aufmerksamkeit für ihre persönlichen Anliegen.
Andererseits hat das längere „Kindsein“ einen Vorteil bei der Klassenfahrt –
sie schlagen weniger über die Stränge!!!!

Bis auf einen medizinischen Zwischenfall, der sich
Gottseidank auch nicht verschlimmerte (denn die medizinische Versorgung wäre
katastrophal gewesen!), hatten wir keine außergewöhnlichen Vorkommnisse. Und
dafür bin ich – nach der rabenschwarzen Fahrt im letzten Jahr – wirklich
dankbar. Ich grübele schon über ein Klassenfahrtsziel für die 11. Klasse, denn
dann können wir frei – losgelöst vom Schulfahrtencurriculum – entscheiden. Und
ich vermute, ich darf meine Klasse bis zum Abitur behalten. Auch darüber würde
ich mich sehr freuen, denn die Kids sind wirklich prima!!!!!

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